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Kerstin | 09.01.2023

UX Design in 5 Ebenen: 1. Strategie

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Wie kann ich mich möglichst einfach Design Thinking annähern?

Design Thinking ist ein Design Ansatz, der eine optimale Nutzererfahrung anstrebt. Ein Problem wird erkannt, definiert und analysiert, um ein Lösungskonzept in Form eines Produkts zu erarbeiten. Mithilfe mehrerer Abteilungen wird Wissen aus verschiedenen Nutzungskontexten vereint, sodass Bedürfnisse detailliert analysiert werden. Dieses Pool-Wissen wird dann genutzt, um in einem offenen, kreativen Rahmen Lösungskonzepte zu erarbeiten. Bei Bedarf werden sie iterativ ergänzt und korrigiert. Soweit die stark zusammengefasste Theorie: Und sie klingt gut und modern und allgemein und ressourcenintensiv. Wie kann man dem Ansatz in flexibler Weise folgen?


Design Thinking als iterativer Prozess mit fünf Schritten: Verstehen, Definieren, Ideen finden, Prototyp und Testen. Die Phasen "Prototyp" und "Testen" regen zu neuen Ideen an, "testen" generiert zusätzlich neues Verständnis über die Nutzer und Nutzerinnen.


Die 5 Elemente des UX Designs sind ein konzeptionelles Framework, das an dieser Stelle vorgestellt und etwas angepasst werden soll. Das Framework teilt den Designprozess eines Produkts in 5 Elemente auf. Dabei wird ein Problem zunächst in abstrakter Weise betrachtet, um dann immer näher in Details zu gehen. Wenn man dabei durchgehend nutzerzentriert bleibt und nicht zu voreingenommen denkt, arbeitet man also nach den Prinzipien des Design Thinkings. Bei dem Framework der 5 Elemente handelt es sich nicht um ein Wasserfallmodell, sodass eine Ebene nicht fertig abgearbeitet sein muss, um die nächste starten zu können. Allerdings sollte die vorangehende Ebene abgeschlossen werden, bevor die nächste abgeschlossen wird. Entscheidungen aus einer Ebene können ein Spektrum an Möglichkeiten für die nächste Ebene erzeugen. Möglichkeiten, die dennoch für das Produktdesign naheliegen und wichtig erscheinen, aber keine Relation zu den Ergebnissen der vorigen Ebene haben, können dafür sorgen, dass die Analyse der vorigen Ebene erneut bearbeitet werden muss oder ein Fokus verschoben werden muss. So können Entscheidungen einer Folgeebene nachwirkend einen Einfluss auf eine vorige Entscheidung haben. Hierbei sieht man erneut eine Parallele zum Design Thinking: Iterativ können vorige Analysen erneut getriggert werden.


Die 5 Elemente des UX Designs ist ein Prozess, der in der abstrakten Ebene "Strategy" startet (Was sind unsere Produktziele und die Nutzerziele?). Weiter geht es mit dem Scope (Welche Funktionen und welcher Content muss bereitgestellt werden?), der Structure Ebene (Wie soll der Inhalt strukturiert werden und wie kann mit dem Produkt interagiert werden?), dem Skeleton (Wo werden die Navigation, die Inhalte und Interaktionselemente positioniert?) und der Ebene mit dem konkretesten Fragestellungen "Surface" (Wie werden Inhalte gesetzt, um den Fokus korrekt zu setzen und ein schnelles Verständnis zu ermöglichen?).

In dieser Blogreihe wird jede Ebene einzeln beleuchtet. Es wird erklärt, welche Fragen in der Ebene fokussiert werden und welche Methoden dabei helfen können. Es werden Beispiele präsentiert, um einem Designprozess im gesamten Verlauf folgen zu können. Weiterhin sollen verschiedene Anwendungskontexte betrachtet werden: Das Framework mag zwar detaillierte Vorgehensweisen vorschlagen, aber wie viele Ressourcen sind im Alltag tatsächlich verfügbar? Wenn man Design Thinking im Alltag üben möchte, möchte man nicht für jedes kleine Feature einen großen Zeit- und Personenaufwand aufbringen. Es werden also weiterhin Wege diskutiert, wie man sich ressourcensparend an die 5 Ebenen und Design Thinking rantasten kann. Ist eine Ebene immer relevant? Ist bestimmte Vorarbeit verzichtbar? Wie können Ebenen mithilfe eines ganzen Teams bearbeitet werden, aber alternativ auch über ein Zweiergespann oder eine Einzelperson?

Wer jetzt schon Interesse an mehr Informationen zu den 5 Ebenen des UX Design hat, dem wird an der Stelle das Buch "The Elements of User Experience" von Jesse James Garrett empfohlen. Möglichkeiten zur flexiblen Umsetzung von UX Design Methoden mit praktischen Identifizierungen des jeweiligen Fokus werden im Buch "The User Experience Team of One: A Research and Design Survival Guide" von Leah Buley bereitgestellt.


Strategy

Die abstrakteste Ebene zur Problemanalyse ist die Strategie Ebene. Hier werden die Ziele definiert, für die das Produkt entwickelt werden soll. Zum Einen werden die Ziele definiert, die für die Kunden bzw. das Unternehmen und Stakeholder relevant sind, zum Anderen die Ziele, die Endnutzer mithilfe des finalen Produkts erreichen können sollen. In diese Ebene müssen Nutzerdaten bereitgestellt oder erfasst werden, um darauf basierend die Nutzerziele definieren zu können.


Produktziele:

Welche Unternehmensvorteile ziehen wir heraus?

Welche Nutzungsbedürfnisse sollen gestillt werden?

Die Antworten dieser Fragen sollten so konkret wie möglich formuliert werden, da sie die Basis für jede Folgeentscheidung bilden. Je konkreter die Ziele formuliert sind, desto einfacher lässt sich bei den folgenden Ebenen entscheiden, ob eine Idee das Produkt den definierten Zielen näher bringt oder nicht. Weiterhin beugen die verschriftlichten Definitionen Missverständnisse vor: Oft werden Anforderungen als selbstverständlich angesehen, sodass nur allgemein gesprochen wird und die verschiedenen Vorstellungen der Anforderung innerhalb des Teams nicht auffallen. Die verschiedenen Vorstellungen können Umsetzungsdetails sein, aber auch schon grundlegend bei einem Wording beginnen, da verschiedene Projekterfahrungen zu verschiedenen Vorstellungen führen. Wer schon Erfahrungen mit zugewiesenen Aufgaben nach dem Motto "Mach mal bitte eben" hat oder mit JIRA-Tickets, die sehr spärlich beschrieben sind, wird die Wichtigkeit gemeinsam definierter Anforderungen erkennen.

Als Produktziele aus Unternehmenssicht sollten strategische Ziele genannt werden. Die Definition von Zielen sollte zwar, wie bereits erwähnt, nicht zu allgemein sein, jedoch sollten Begründungen zum Unternehmensvorteil mit definiert werden, damit die Produktziele unternehmensintern leicht nachvollziehbar sind. Die Ziele aus Nutzungssicht sollten das Problem fokussieren und noch nicht einen Lösungsweg beschreiben. Oft startet man bereits mit einer Lösungsidee in einen Designprozess, jedoch soll bei diesem Design Framework beachtet werden, dass zunächst eine Problemanalyse stattfindet. Demnach sind einige Umstände des Problems noch nicht bekannt und eine voreingenommene Lösung eventuell der falsche Weg.

Passend zu den Produktzielen sollten Erfolgskriterien definiert werden. Anhand dieser Kriterien kann nach Veröffentlichung des Produkts, idealerweise aber schon früher in iterativen Testrunden, geprüft werden, ob die definierten Ziele erreicht wurden. Fokussiert werden können hierbei Unternehmensziele, jedoch haben die Nutzerziele aufgrund resultierender (Un-)Zufriedenheit oft einen starken Einfluss. Entsprechend kann man bei den Erfolgskriterien nicht nur direkt dem Produkt zuweisbare Zahlen einbeziehen, sondern ferner zum Beispiel auch Anrufe beim Support zu dem behandelten Problem.


Erfolgskriterien:

Woran messe ich den Erfolg des Produkts?

Kann ich den Erfolg schon vor finaler Veröffentlichung messen?

Um die Ziele der Nutzer:innen besser zu verstehen, muss die Nutzungsgruppe definiert werden. Diese Nutzungsgruppe kann dann erforscht werden, um die verschiedenen Kontexte, Verhaltensweisen und Ziele zu erfassen. Mit den gesammelten Daten können die Nutzungsgruppen durch gemeinsame Charakteristiken segmentiert werden. Die Charakteristiken könne demographisch sein, aber auch zum Beispiel Werte, Interessen oder technische Affinität.


Welche Methoden kann man hierfür nutzen?

Ressourcenintensiv

Eine Contextual Inquiry ist eine qualitative Forschungsmethode, in der Nutzer:innen in ihrem natürlichen Umfeld beobachtet und befragt werden. Diese Methode ist sehr aufwendig, da für jede Person ein einzelner Termin im gewohnten Umfeld gemacht wird, idealerweise auch Equipment für Videoaufnahmen aufgebaut wird und die Nachbereitung inklusive Auswertung der Videoaufnahmen sehr zeitintensiv ist. Die Voraussetzung ist weiterhin eine erfahrene Versuchsleitung, die neutrale Fragen stellt und in der Lage ist, unvoreingenommen beobachten zu können. Die Person, die eine Oberfläche mühevoll und stolz designt hat, ist demnach eher nicht die richtige leitende Person für die Contexual Inquiry zu jener Oberfläche.

Für eine effiziente Datengrundlage

Fragebögen sind ein quantitatives Forschungsmittel. Es können effizient viele Antworten auf voreingenommene Fragen gesammelt werden. Die vorbereiteten Fragen basieren oft auf voreingenommenem Wissen und grenzen den zu erforschenden Kontext ein, was der Design Thinking Maxime des offenen unvoreingenommenen Designs widerspricht. Wenn offene Fragen in den Fragebogen integriert werden, können auch qualitative Daten gesammelt werden. Man muss allerdings damit rechnen, dass die wenigsten Teilnehmer:innen offene Fragen beantworten werden, sondern eher die wenig zeitaufwendigen Multiple-Choice-Fragen. Der Link zum Fragebogen kann in einem Newsletter oder Social Media Post geteilt werden und die Teilnahmeanzahl kann erhöht werden, indem ein Gewinn angehängt wird.

Das empfohlene Minimum

Folgt man der Empfehlung der erfahrenen UX-Expertin Leah Buley, sollte man Guerilla User Research betreiben. Damit wird sichergestellt, dass direkt und offen mit Nutzer:innen gesprochen wird und somit keine voreingenommene Eingrenzung der Problemanalyse stattfindet. Durch offene Interviews zum Beispiel können Nutzer:innen auf Kontexte und Ursachen des behandelten Problems aufmerksam machen, die das Design Team zuvor nicht bedacht hatte. Durch die Guerilla Methode kann die Forschung in ihren eingesetzten Ressourcen stark eingegrenzt werden, sodass sie wenig kostenintensiv ist, dabei aber der höchsten Priorität des Design Thinkings folgt.



Ein Beispiel:

Ein Personalmanagementtool soll konzipiert und implementiert werden. Das eigene Software Unternehmen ist mit dem bisher genutzten Produkt nicht ausreichend zufrieden, sodass ein eigenes entwickelt werden soll. Da es sich um ein intern zu nutzendes Produkt handelt, handelt es sich bei den Nutzer:innnen um Kolleg:innen und die Stakeholder sind die Geschäftsführung, die Personalabteilung und Projektleiter.


Welche Unternehmensvorteile ziehen wir hieraus?

  • Keine Kosten an externes Tool

  • maßgeschneiderte Features

  • mehr Effizienz bei Personalplanung

  • mehr Datenschutz, da kein Hosting bei Dritten


Welche User Research Methode wird genutzt?

Da es sich um ein intern zu nutzendes Tool handelt, ist die User Research logistisch einfacher. Es wird ein UX-Experte für das Projekt bereitgestellt. Dieser bereitet eine Contextual Inquiry mit vier Kolleg:innen vor. Da es sich um ein kleines Unternehmen handelt und die ausgewählten Kolleg:innen aus verschiedenen Abteilungen kommen, ist die Anzahl repräsentativ. Der UX-Experte bereitet diverse Fragen zum Alltag vor und begleitet alle Proband:innen zu verschiedenen Uhrzeiten für eine Stunde. Besonders relevant sind die Situationen, in denen die Proband:innen im aktuell genutzten Personalmanagementtool Daten erfassen oder Personaldokumente hochladen. Es werden regelmäßig Fragen vom UX-Experten gestellt. Daneben werden aber auch die Alltagsaufgaben beobachtet, um den Kontext der Proband:innen besser verstehen zu können.


Welche Nutzungsbedürfnisse gibt es?

  • leicht verständliche Übersicht

  • Arbeitszeitänderungen schnell einsehen können

  • Gehaltsänderungen schnell einsehen können

  • Platz für Anmerkungen




Durch das Beispiel wird deutlich, dass auch mithilfe weniger Ressourcen Nutzungsdaten gesammelt werden können. Wie im "empfohlenen Minimum" bereits erwähnt, ist es von Vorteil, unabhängige und unvoreingenommene Informationen von den Endnutzer:innen in ihrem Alltag und Nutzungskontext zu sammeln. Auf Basis dieses Wissens wird jede weitere Entscheidung während der Produktentwicklung gebaut. Diesen Datenpool aufzubauen ist daher essentiell, auch für die langfristige Weiterentwicklung. Handelt es sich bei einem Designprozess um eine Weiterentwicklung, kann die Erarbeitung dieser Ebene verzichtbar sein. Allerdings sollte man bedenken, dass der bestehende Datenpool mit Fokus auf einen anderen Kontext entstanden ist und daher wichtige Beobachtungen und Nutzungsbedürfnisse fehlen können. Auch können die Daten veraltet sein, sodass eine Aktualisierung und gegebenenfalls Korrektur sinnvoll sein kann.

Fertig mit der Strategy Ebene? Dann geht es weiter mit dem Scope...

Kerstin Paduch
Kerstin (Softwareentwicklerin)

... ist eine leidenschaftliche Frontendentwicklerin in Dortmund. Ihre Hauptwerkzeuge sind TypeScript, Angular, und Figma. Sie baut im Nu zauberhafte Mockups und setzt diese effizient um. Nutzerzentrie... mehr anzeigen

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